Mein Input zu Inklusiver Kirche beim Podium „Vielfalt gestalten – Wie wir es schaffen, Inklusion selbstverständlich zu leben“ des Hildegardis-Vereins auf dem Katholikentag 2022.
Foto: © Stephanie Feder, Hildegardis-Verein
„Wie wir es schaffen Inklusion selbstverständlich zu leben“ – das ist der Untertitel unseres Podiums. Er drückt für mich genau das aus, was ich mir für die Zukunft wünsche: einen Perspektivwechsel. Bisher nehme ich es häufig so wahr: Es gibt wohl wenige Menschen, die aktiv gegen Inklusion oder Barrierefreiheit sind. Es fehlt aber immer wieder an der Bereitschaft und Motivation, sich dafür einzusetzen, zu investieren, Dinge anders zu machen als bisher. Inklusion ist die Ausnahme, nicht die Selbstverständlichkeit. Sie ist das große leuchtende Wort, das wir uns gern auf die Fahnen schreiben, sie ist womöglich sogar Nächstenliebe. Und man hat dafür dankbar zu sein. Inklusion ist nicht selbstverständlich.
Aus theologischer Perspektive finde ich, Inklusion müsste eines der größten Herzensanliegen unserer Kirchen sein. Menschen willkommen heißen und in ihrer Vielfalt annehmen, aus Bekanntem herausgehen, auf neue Menschen zugehen – das alles ist so eng mit unserem christlichen Kern verknüpft. Aber ich weiß und sehe auch, dass es Ableismus, dass es Diskriminierung genauso außerhalb wie innerhalb unserer Kirchen gibt. Und ich weiß um den Einfluss in der Vergangenheit, denken wir nur an das Konzept „Euthanasie“, wo der Tod behinderter Menschen als Erlösung verkauft wurde.
Inklusion kann nur selbstverständlich werden, wenn behinderte Menschen in aktiver Rolle eingebunden und gehört werden. Wenn wir sie nicht nur als Teilnehmende, als Hilfsempfänger mitdenken, sondern echte Teilhabe ermöglichen. Wenn Infos zur Barrierefreiheit in jeder Tagungseinladung stehen und nicht mit „Bitte Bitte“ erfragt werden müssen. Wenn ich mich nicht mehr fragen muss, wie mein Bildungsweg verlaufen wäre, hätte ich meine Behinderung schon als Kind erworben und nicht erst vor ein paar Jahren.
Mit Blick auf Kirche wünsche ich mir folgendes: Eine Auseinandersetzung mit der Geschichte und mit spezifischen Formen von Diskriminierung. Welche Rolle spielen Vorurteile in der Theologie? Wie denken wir zum Beispiel über biblische Heilungsgeschichten nach? Wie inklusiv ist unser christlichen Menschenbild? Wie geht Nächstenliebe auf Augenhöhe ohne Othering – ohne dass ein Gegenüber von „wir“ und „die“ entsteht? Und ich wünsche mir einen Blick auf unsere Gemeinden, Kirchenleitung und Einrichtungen. Welchen gesellschaftlichen Beitrag können wir leisten? Wo ermöglichen Inklusion, wo müssen wir unsere Konzepte nochmal überdenken? Inklusion darf nicht an Diakonie und Caritas outgesourced werden. Sie muss Mainstream sein, als roter Faden in allen Ausschüssen und Themenbereichen mitgedacht werden. Nur dann kann Inklusion selbstverständlich werden.